Lieber Götz, du bist vor fast vier Jahren zum Gesellschafter der Andreas Tobias Kind Stiftung berufen worden. Was genau hat dich zur Mitarbeit in der Stiftung bewogen?

GK: Diese Frage lässt sich sehr einfach beantworten: Es waren die Beteiligten in der Stiftung. Mit Gabriele und Hellmut Kind durfte ich zwei Gründerpersönlichkeiten der anthroposophischen Heilpädagogik und Sozialtherapie aus der Nachkriegszeit kennenlernen. Gleich bei unserem ersten Gespräch im Haus am Kortenredder in Hamburg gab es viele Berührungspunkte. Das Gespräch hätte für mich noch stundenlang weitergehen können. Es ist eben etwas völlig Anderes, historische Ereignisse lesend zu erfahren oder Zeitzeugen treffen zu können, die die Ereignisse erlebt oder gar gestaltet haben. Wie sich dann in den weiteren fast vier Jahren meiner Mitarbeit in der ATKS herausstellte, gibt es eine Reihe von gemeinsamen Bekannten der Familie und mir. Und es konnte zu freudigem Wiederhören und Wiedersehen kommen. Unsere ehemalige Geschäftsführerin Anja Hauser muss einen besonderen Sinn gehabt haben, als sie mich in die Stiftung holte, denn auch wir beide kannten uns bis dato nicht. Und ich bin ihr zutiefst dankbar dafür!!!

Beruflich bist du seit über 30 Jahren in der Behindertenhilfe und in der Jugendhilfe tätig. Welche Themen stehen für dich in deiner Arbeit als Pädagoge derzeit im Mittelpunkt?

GK: Liebe Hannah, jetzt müssten wir ein Buch miteinander schreiben. Wo immer man in pädagogischen Institutionen unterwegs ist, trifft man auf das Phänomen, dass alle Welt sich berufen fühlt, uns zu belehren. Von Pädagogik, von Schule, vom Umgang mit Heranwachsenden glaubt jedermann etwas zu verstehen. So wird Schule von den gesellschaftspolitisch relevanten Gruppen seit den 60er Jahren benutzt, um gesellschaftliche Missstände zu korrigieren; Schule soll es stets richten. Die Anzahl der Schulreformen in der Bundesrepublik ist ja kaum noch zu zählen. Und so trägt man aktuell die Diskussion und die praktische Umsetzung des Miteinanders von Menschen, wie immer sie ihr Leben körperlich und seelisch auch gestalten, auf dem Rücken aller Beteiligten aus. Miteinander ist ein Menschenrecht, das niemand in Frage stellen darf. Aber niemand weiß, wie Inklusion – ein völlig indifferentes Wort in der deutschen Sprache – funktioniert. Dennoch setzt Politik hier ein Prinzip durch, statt nach dem einzelnen Menschen zu fragen. Warum formulieren wir gesellschaftlich nicht einen individuellen Anspruch auf Bildung und Teilhabe, den JEDER auf SEINE Weise einlösen kann. Aus Sicht der Heranwachsenden mit Fragen an das Leben brauchen nicht noch mehr allgemeinverbindliche Strukturen, sondern das genaue Gegenteil. Bildungsangebote müssten wesentlich differenzierter und einem demokratischen Gemeinwesen entsprechend einen Angebots- und keinen Zwangscharakter haben. Und wenn Kinder wieder Kinder sein dürften, bräuchten wir nicht jedes Jahr mehr als zwei Tonnen Psychopharmaka an Kinder verteilen. Aber das ist ein neues Thema ….

Als Gesellschafter der Stiftung vertrittst Du insbesondere den Förderbereich Heilpädagogik. Wenn Dir alle Zeit und Mittel der Welt zur Verfügung stünden – wo siehst Du den größten Forschungsbedarf?

GK: Man kann bei Youtube ein ergreifendes Video sehen: Wolfgang Bergmann, einer der Großen der deutschen Kinder- und Jugendpsychotherapie liegt auf seinem Sterbebett und schickt eine letzte Botschaft in die Welt, die etwa so lautet: Kinder sind das Wunderbarste, was es auf dieser Welt gibt. Geht endlich ehrlich mit den Ergebnissen erziehungswissenschaftlicher Forschung um und biegt sie nicht immer entsprechend dem gesellschaftlichen Mainstream zurecht. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Weihnachten steht vor der Tür. Was macht das Fest für Dich besonders? Was wünscht Du Dir für das neue Jahr?

GK: Oh je, da bin ich ganz spießbürgerlich … ich freue mich, wenn unsere großen Kinder wieder einmal nach Hause strömen, wir beim Essen miteinander und durcheinander schwätzen, wir miteinander bedauern, dass es doch früher immer Schnee zu Weihnachten gab und heute nicht mehr, der Hund dabei jault, weil er glaubt zu kurz zu kommen … Meine Frau und ich machen dann gern im Rahmen langer Spaziergänge einen Jahresrückblick und einen nach vorn ins neue Jahr. Und wenn ich mir vom „Weihnachtsmann“ etwas wünschen dürfte, dann wäre es eine richtig große Zustiftung für die ATKS, damit wir noch mehr von den tollen Menschen, die bei uns um Unterstützung anfragen, fördernd begleiten könnten. In diesem Sinne: Allen Lesern ein frohes und gesegnetes Fest.

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